Sonntag, 8. Februar 2009
Diesmal werde ich nichts eigenes posten sondern Bob Geldorf zitieren aus einem Artikel der Süddeutschen Zeitung.
Sehr gut gewählte weise Worte, wie ich finde.

Wir können jeden beschuldigen. Banker, Regulierer, den Markt, das westliche Modell, Habgier, Hybris, Globalisierung. Ganz egal. Alles und jeder kann beschuldigt werden. Es ist ein Leichtes zu behaupten, dass sich der Markt genau so verhielt, wie es entweder Karl Marx oder aber Adam Smith vorhergesagt haben. Der Markt korrigierte sich selbst, ohne dass wir ihn darum gebeten hätten, er achtete nicht auf unseren Schmerz. Die unsichtbare Hand scheint unglücklicherweise tatsächlich funktioniert zu haben!

Wir könnten aber auch das (von den Chinesen) vielgerühmte chinesische Modell des Staatskapitalismus preisen, dessen "Erfolge‘‘ und dessen anschließendes Scheitern allerdings ebenfalls auf einem Finanzsystem fußte, das durch faule Kredite von einer Billion Dollar unterspült war. Nur dass sie in China in nicht wettbewerbsfähige Staatsbetriebe gepumpt wurden, anstatt in billige Häuser. Aber ganz egal, ob wir nun beschuldigen oder preisen - Fakt ist, dass wir nun alle zusammen in dieser Sache stecken. Und wir werden auch alle zusammen da wieder herauskommen, durch Zusammenarbeit, Dialog und gemeinsame Planung.

Im April werden sich die Staaten der G20 in London treffen, um schnell über einen gemeinsamen Fluchtweg aus dem Desaster zu beraten. Es treffen sich die G20, und nicht die G8, weil die aufstrebenden Volkswirtschaften dieser Welt nicht länger ausgeschlossen werden können. Wir brauchen sie so sehr, wie sie uns brauchen. Anti-Armuts-Aktivisten haben es immer schon gesagt: Wohlstand in den armen Gegenden zu schaffen, das bedeutet, Wohlstand für alle zu schaffen.

Sollen die Briten nur noch britische Güter kaufen? Und die Deutschen nur noch deutsche? Es gibt doch nur eine einzige Möglichkeit, Jobs zu schaffen: durch die Produktion von Dingen, die andere haben wollen, sowie durch den Kauf von Sachen, die wir haben wollen. Jobs haben wir nur, weil andere kaufen. Kaufen können sie nur, wenn sie Geld haben, und Geld können sie nur haben, wenn sie auch selber produzieren. Drei Milliarden Menschen, die Hälfte der Weltbevölkerung, sind arm. Sie können nicht kaufen. Würden sie aber produzieren, wären sie wohlhabend, und sie und wir würden davon profitieren. Eigentlich kinderleicht zu verstehen - daher ist es unbegreiflich, dass immer wieder um diese winzig kleinen Beträge für Entwicklungszusammenarbeit gerungen werden muss.

Letztlich ist Armut immer etwas Relatives. Man kann sehr reich sein, aber doch weniger als der Nachbar haben und sich deswegen verarmt vorkommen. Das gilt für Nationen ebenso wie für Individuen. Aber die wahre Verarmung, die hier zu beobachten ist, ist eine Verarmung des Denkens. Ja, es stimmt, alle Länder haben jetzt Schulden. Die früheren Auseinandersetzungen über Schuldenerlass können wir uns sparen. Sogar die Weltmeister im Sparen, die Deutschen, kommen mittlerweile auf eine Staatsverschuldung, die noch nach Generationen nicht abbezahlt sein wird. Und die britischen und amerikanischen Konsumenten, die das Gegenteil praktizierten, nämlich eine kreditfinanzierte Volkswirtschaft? Ihre Schulden sind noch höher. Aber für Schadenfreude ist jetzt nicht die Zeit, denn die Schulden der Briten, Amerikaner, Chinesen und Deutschen sind die Schulden von allen gemeinsam. Denn all die Kredite stammen letztlich aus demselben großen Topf, dem globalen Finanzsystem. Wie Bob Dylan richtig bemerkt hat: Money doesn't talk. It swears. Geld redet nicht. Es flucht.